
ROBEX-Tiefsee-Demo-Mission auf Polarstern
- Die Zargeskisten werden gepackt
- Die Gabelstapler rollen auf dem Arbeitsdeck
- Die Container werden verschlossen
- Das Gästebuch wird mit PS108-Erinnerungen verziert
- Der Kapitän und der Fahrtleiter führen ihr Abschlussgespräch im „Blauen Salon“
- Das Interview mit mir als ROBEX Koordinatorin und Dr. Frank Wenzhöfer als Fahrtleiter wird gefilmt
- Die Labore werden geputzt
- Der „Plot“ der PS108-Fahrt wird als Erinnerungsgabe vom Sys-Man erstellt
- Die Menschen an Bord werden nicht mehr auf dem Arbeitsdeck, sondern in ihren Kammern, in der Maschine, in der Küche, im Funker Raum fotographiert
- Die Seesäcke mit der Polarkleidung werden gepackt und eingesammelt
- Die Daten von der gemeinsamen Festplatte an Bord werden gesichert
- Die Kammern werden aufgeräumt, die Koffer werden gepackt
- Die Gedanken kehren vom „Hier und Jetzt“ zurück in die Zukunft
Am 9.9.2017 endet mit dem Einlaufen der POLARSTERN und dem Abschluss der PS108 eine (wunderbare) Zeit
- Ohne Handy
- Ohne Portemonnaie
- Ohne Autoschlüssel
- Ohne Einkaufszettel
- Ohne Radio und Fernseher
- Ohne Tageszeitung
- Ohne Whatsapp
- Ohne Waschmaschine
- Ohne Spülmaschine
- Ohne Bügeleisen
- Ohne Rasenmäher
- (Fast) ohne Kontakte außerhalb der Menschen an Bord

ROBEX-Tiefsee-Demo-Mission auf Polarstern.
Als Koordinatorin der ROBEX Allianz bin ich glücklich und wehmütig zugleich, denn mit dieser Ausfahrt PS108 endet die zweite und letzte große ROBEX Demonstrationsmission, nachdem wir vom 12.6.-7.7.17 die „Mond-Analog-Mission“ auf dem Ätna erfolgreich durchführen konnten. Dort arbeiteten wir auf 2300 m Höhe mit 50 Wissenschaftlern, hier waren wir dagegen in verschiedenen Tiefen bis zu 5500 m Wassertiefe unterwegs.
Als eine der wenigen Menschen von ROBEX, die beide Missionen miterleben konnte, kann ich nur sagen: Die Technik hat in beiden Fällen nach einigen Herausforderungen so funktioniert, wie wir das angestrebt und versprochen hatten, die Teilnehmer auf dem „Mond“ und auf POLARSTERN waren offen und gut gelaunt, haben sich während der Mahlzeiten und des Rahmenprogramms bunt gemischt zwischen Raumfahrt und Tiefsee und zollen sich nachhaltig gegenseitigen Respekt!

ROBEX „Mond-Analog-Mission“ auf dem Ätna. Foto: Martina Wilde
Die Tiefsee konnte profitieren von technischen Entwicklungen der Raumfahrt, insbesondere hinsichtlich der autonomen Navigation, die Raumfahrt hat – neben inhaltlichen Synergie-Effekten – ausschließlich wegen des pragmatischen Vorbildes der Tiefsee-Kollegen überhaupt den Mut gehabt, ihren Mondlander, ihre Roboter und Drohnen, raus aus dem Labor zu bringen. Und das nicht auf die grüne Wiese, sondern in eine Lava-Landschaft auf einem Vulkan. An diesem Mut fehlt es den Kollegen aus der Tiefsee niemals, das habe ich an Bord dieses Schiffes seit zweieinhalb Wochen erleben dürfen! Unterstützt werden sie dabei rund um die Uhr und in jeder Hinsicht von der gesamten Crew der POLARSTERN, wofür ich hier noch mal DANKE sage.
Ich verabschiede mich mit diesem Blog nicht nur von POLARSTERN, sondern auch von Ihnen, die ich hoffentlich mit meinen Beschreibungen ein wenig „an Bord“ holen konnte!
Mit herzlichen Grüßen,
Martina Wilde
Koordinatorin der Helmholtz-Allianz ROBEX
Veröffentlicht am: 08.09.2017

Das ROV Kiel 6000 bringt den Crawler Viator wieder in die Spur. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR
Ein Wanderer und seine Herberge, besser kann eine Namensgebung die komplexen und hochinnovativen Systeme Tiefsee-Lander „MANSIO“ und Rover „VIATOR“ nicht beschreiben. Die eigentlich fast ein wenig altertümlich anmutenden Begriffe (die in Zeiten vieler „Jakobsweg“-Pilgerreisen wiederum auch aktuell klingen) führen allerdings in die Irre: Wir befinden uns mit diesem Zusammenspiel eines stationären und eines mobilen Systems am „Cutting Edge“ der autonomen Tiefsee-Geräte.

Der Viator erreicht den Meeresboden. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR
Dies ist das Langfristziel: Am Tiefseeboden angekommen öffnet sich nach dem Absetzen automatisch das Ausfahrtstor des Landers, der dort in der Garage befindliche Crawler nimmt seine „Wanderung“ zu wissenschaftlich interessanten Gebieten rund um den Lander auf und kehrt nach erfolgreichen Messungen durch hell leuchtende „Navigationsmarker“ geführt zurück, um im Lander seine Messdaten abzugeben und neue Energie zu tanken. Im Bild des Wanderers: Er speichert nach seiner Rückkehr in die Herberge seine Fotos, gönnt sich ein gehaltvolles Abendessen und bricht am nächsten Tag gestärkt und neugierig wieder auf, um das Umfeld mit all seinen Sinnen und seiner Kamera zu erkunden.
Um diesem visionären Langfristziel eines Tiefsee-Roboters, der sich autonom an seinem Lander aufladen kann, autonom auf wissenschaftliche Spurensuche geht und auch noch selbständig zurückfindet, schrittweise näher zu kommen, haben die Kollegen um Dr. Sascha Flögel vom GEOMAR das komplexe Zusammenspiel bereits mehrfach in bis zu 20 m Wassertiefe in der Ostsee getestet. Mit vielen Herausforderungen, was insbesondere die Sichtbarkeit der Navigationsmarker im trüben Wasser betraf. Nun sollte auf PS108 erstmals in der überwiegend sehr klaren arktischen Tiefsee bewiesen werden, dass das System auch hier erfolgreich autonom zu verschiedenen Wanderrouten aufbricht und heimkehrt.

Der Crawler Viator verlässt seine Garage Mansio mit leichter Linkstendenz. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR
Von den Wissenschaftlern an Bord der PS108 beobachtet werden konnte das anspruchsvolle Szenario, da der MANSIO-VIATOR bereits vom fernsteuerbaren Tiefseeroboter ROV „KIEL 6000“ des GEOMAR am Tiefseeboden erwartet wurde und dessen Hochleistungs-3D-Kamera brillante Bilder in den Windenleitstand sendete. Insgesamt wurden drei Einsätze in der Tiefsee geplant, der erste scheiterte an einem Fehler in der Software, im zweiten Fall war das ROV bereits am Grund, aber der Start des MANSIO-VIATORS in die Tiefe musste im allerletzten Moment wegen zu hoher Wellen abgesagt werden. Also ruhten auf der dritten Testzeit – in der Nacht von Montag auf Dienstag (4./5.9.17) – alle Hoffnungen.
Wie bereits beim ersten Testversuch ging ein Raunen durch den Windenleitstand, als das ROV das Bild des MANSIO-VIATORS übertrug, wie er fast majestätisch mit seinen leuchtenden Navigationsmarkern im dunkelblau wirkenden Wasser vom „Himmel“ schwebte, wie ein LANDER das auf einem anderen Himmelskörper tun würde.
Danach musste mehr oder wenig geduldig abgewartet werden, bis die von den Erbauern und Programmierern des Systems eingestellten 120 Minuten bis zum autonomen Start abgelaufen waren. Als sich nach 120 Minuten die Ketten bewegten und der VIATOR langsam rückwärts die Rampe hinunter fuhr, wurde aus dem Raunen Applaus. Doch dieser verebbte bald, als offenkundig wurde, dass der VIATOR nicht gerade, sondern in einer Linkskurve rückwärts ausparkte.

Das ROV Kiel 6000 bringt den Crawler Viator wieder in die Spur. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR
Im Grunde wäre es sogar die elegantere Variante für das Verlassen einer Garage gewesen, aber es lag hier nur daran, dass die linke Kette langsamer lief als die rechte. Diese Tatsache führte dazu, dass der VIATOR die vier verschiedenen Abläufe, die man ihm als Aufgaben mitgegeben hatte, zwar durchführte, er aber durch die zu langsame linke Kette behindert, nicht da landete, wo er seinen nächsten Startpunkt brauchte. Glücklicherweise war das ROV „KIEL6000“, das hier nicht nur als „Gods Eye View“ diente, sondern sich auch als sehr handlungsfähiger Gefährte erwies, zur Stelle und setzte den VIATOR mit seinem Roboterarm kurzerhand auf die richtige nächste Position.
Letztendlich konnte dem System vom Kontrollraum an Bord der POLARSTERN auch noch erstmalig ferngesteuert ein „Reset“ gesendet werden und der VIATOR fand daraufhin in der Nacht gegen 4 Uhr selbständig in seine Herberge zurück.

Das Mansio-Viator-Team auf dem Arbeitsdeck der Polarstern. Foto: Martina Wilde
Was genau die Fehlfunktion der linken Kette ausgelöst hat, das werden die Experten zuhause im GEOMAR untersuchen, mittlerweile freuen sie sich aber – nach ursprünglicher Enttäuschung über den nicht ganz gelungenen Parcours – darüber, dass der VIATOR seine Intelligenz eindeutig beweisen konnte: Die Auswertungen der verschiedenen Datenquellen zeigen – mehr als nur die übertragenen Bilder- , dass er seinen „Füßen“ genau die Wanderrouten „befohlen“ hat, die man ihm aufgetragen hatte.
So kam der Wanderer in seiner Herberge nach seinem 1200 m hohen Aufstieg am 5.9.17 gegen 8 Uhr wieder an die Wasseroberfläche. Für den MANSIO-VIATOR geht es jetzt – wegen des angesagten Starkwindes eilig aber gut vertäut – zurück Richtung Tromsö und dann weiter ins heimatliche Kiel, um dort für zukünftige Explorationsmissionen präpariert zu werden.
Das ehrgeizige Langfristziel immer vor Augen sind wir alle stolz auf die ersten Routen des „Wanderers durch die Tiefsee“!
Es grüßt nach einer Nacht bei Windstärke 8 von Bord der POLARSTERN
Martina Wilde
Koordinatorin der Helmholtz-Allianz ROBEX
Veröffentlicht am: 08.09.2017

Choreographie auf dem Arbeitsdeck. Foto: Martina Wilde
Getaktet fast wie bei einem Flughafen starteten und landeten auf dem Arbeitsdeck der Polarstern innerhalb von 22 Stunden die ROBEX-Geräte MANSIO-VIATOR, NOMAD und MAPPA und das ROV „KIEL6000“ des GEOMAR.

Choreographie auf dem Arbeitsdeck. Foto: Martina Wilde
So eine Phase hat es während der ganzen bisherigen Tour nicht gegeben: Am 4.9.2017 ging um 18.45 Uhr das ROV in Richtung Meeresboden in 1247 m Tiefe von Bord. Der MANSIO-VIATOR wurde an seinem „Launcher“ um 20.15 Uhr hinterher geschickt (ich berichte in einem weiteren Blog gesondert über diesen Test). Gegen 6 Uhr am 5.9.2017 stieg dann das ROV „KIEL6000“ wieder an die Wasseroberfläche, gefolgt von dem MANSIO-VIATOR, der um kurz vor 8 Uhr morgens neben dem Schiff auftauchte.
Kaum waren beide Großgeräte des GEOMAR wieder an Bord gebracht, hieß es für den zweiten AWI Crawler NOMAD, zum ersten Mal seinen zukünftigen Einsatzort am Tiefseeboden des arktischen Ozeans kennen zu lernen. Er wurde um 8.44 Uhr über die Bordkante gehievt und fuhr in die Tiefe. Um 10.44 Uhr schwamm dann bereits der MARUM Glider MAPPA an der Oberfläche und machte seinen zweiten PS108-Testflug unter Wasser. Kurz nach dem obligatorischen Mittags-Hupen der POLARSTERN landete MAPPA nach erfolgreichem eigenständigen Ab- und Auftauchen um 12.01 Uhr wieder auf dem Arbeitsdeck.

Choreographie auf dem Arbeitsdeck. Foto: Martina Wilde
Um 15.45 Uhr wurde NOMAD nach seiner „(Aus-)Lösung“ vom Tiefseeboden wieder an der Meeresoberfläche gesichtet, um 15.51 Uhr startete das für die Bergung notwendige Schlauchboot und um 16.06 Uhr konnte er an Deck von seinen Entwicklern und Erbauern mit einem ersten Blick inspiziert werden.
Für alle diese Aktionen gilt: rechtzeitig vor dem Start- oder Landezeitpunkt wimmelt es auf dem Arbeitsdeck von gelben, orangen, weißen und blauen Helmen, gelber, oranger, roter und blauer Arbeits- und Wetterschutzbekleidung und roten Schwimmwesten. Der „Glaspavillon“ Windenleitstand mit bestem Blick über das Arbeitsdeck ist besetzt, das rote „Schlauchboot“ wird zum Einsteigen bereit gemacht, die verschiedenen Kräne laufen an, die Winden bewegen sich, unzählige Seile sind im Einsatz. Die gesamte Choreographie auf dem Deck wird dirigiert vom Ersten Offizier Uwe, der scheinbar mühelos, mit klarer Stimme und offensichtlicher Souveränität die jeweilig nötigen Aktionen ansagt und dabei ständig im Kontakt mit der Brücke steht. Da muss nämlich auch schon mal das Schiff noch etwas gedreht werden, oder zum Beispiel der Befehl zum Auslösen eines aufschwimmenden Gerätes von der Brücke abgewartet werden.
Besonders natürlich bei strahlendem Sonnenschein, aber auch vor den Eisschollen leuchten alle diese Akteure auf dem Deck um die Wette mit den roten Kränen, den blauen Containern und den grünen Treppen. Für mich als Kölnerin, und das kann ich mir hier nicht verkneifen, von der Buntheit nur mit dem Rosenmontagszug zu vergleichen. Doch das meint tatsächlich ausschließlich die „Buntheit“: Die Ernsthaftigkeit und das Verantwortungsbewusstsein für das Schiff und die hochkomplexen und empfindlichen Tiefseegeräte steht für die farbig geschützten und hocherfahrenen Crewmitglieder an erster Stelle.
Mit diesen farbenfrohen Bildern grüße ich von Bord der POLARSTERN PS108
Martina Wilde
Veröffentlicht am: 08.09.2017

MIMS auf dem Arbeitsdeck. Foto: Martina Wilde
Bevor Frank Schätzing seinen – im ersten Teil sehr wohl naturwissenschaftlich basierten – über 1000 Seiten dicken Erfolgs-Science Fiction „Der Schwarm“ veröffentlichte, gab es wohl nur wenige Menschen, die Details über die sogenannte Gas Hydrat Stabilisations Zone (GHSZ) und insbesondere Methan-Hydrate, also Methan, das in gefrorenem Wasser eingelagert ist, wussten. Im Buch taucht tatsächlich ein realer Experte der Tiefsee-Community auf, der den Autor offensichtlich durch sein Fachwissen über Gashydrate zur Beschreibung eines Szenarios motivierte, bei dem Bakterien das Methanhydrat abbauen und damit den Kontinentalabhang des norwegischen Schelf so destabilisieren, dass ein Tsunami über die Norwegische Küste bis tief ins Innere des Landes hereinbricht.

MIMS vor Spitzbergen. Foto: Stefan Sommer
Hier, vor der Küste von Spitzbergen, in der Region, wo der arktische und der atlantische Ozean aufeinander treffen, wird Methanhydrat nicht von Bakterien abgebaut, aber es kommt entlang eines 25 km langen Abschnitts am oberen Rand der GHSZ in ca. 400 m Wassertiefe zu einer starken Freisetzung von Methan aus dem Meeresboden in die Wassersäule. Da man diese Ausgasungen bereits mithilfe von Echolot vermessen hat, ist hier also der ideale Einsatz- und Testort für das „Unterwasser-Membran-Einlass-Massenspektrometer (UW-MIMS)“, welches im Rahmen von ROBEX vom GEOMAR entwickelt worden ist. Mit diesem UW-MIMS ist es möglich, nicht nur das Vorkommen von Ausgasungen nachzuweisen, sondern sogar die Gasmengen zu quantifizieren.

Finetuning am MIMS. Foto: Martina Wilde
Die Kollegen um Dr. Stefan Sommer und Dr. Mark Schmidt hatten bei dieser Fahrt – wegen der relativ leichten Handhabung des Gerätes beim Ausbringen ins Wasser – die eher ungeliebten Experimentierzeiten in der Nacht zugewiesen bekommen. Bei ihren insgesamt 4 Einsätzen von jeweils etwa 3 Stunden reiner Messzeit wurde das UW-MIMS vom Schiff „geschleppt“. Hört sich im Zusammenhang mit einer solchen High-Tech-Anlage schon erstaunlich genug an. Noch erstaunter und voller Bewunderung bin ich aber darüber, wie robust das Hochpräzisionsmessgerät , das tagsüber etwas unscheinbar und bescheiden auf dem Arbeitsdeck stand, ab und zu, im „Eifer des Gefechts“, beim Aus- oder Einbringen der Robotersysteme schnell mal aus dem Weg gerollt werden musste, den manchmal etwas rauen Einsatzbedingungen von Wind und Welle widerstand.
Aber zurück zum „schleppen“: das UW-MIMS wurde also in 400 bzw. in 90 Meter Tiefe gelassen und das Schiff zog es dann mit maximal 0,5 Knoten (1 Knoten entspricht 1,852 km/h) Geschwindigkeit auf einem vorher von den Wissenschaftlern definierten Kurs durch das zu vermessende Gebiet. Die Gase, die dort im Wasser aus dem Boden ausperlen, dringen durch eine Membran in das UW-MIMS ein, dort werden sie getrennt, so dass letztendlich nur das Methangas den Weg bis zum Herzstück des Gerätes, der Messkammer findet. Dabei liefern sich im Inneren des eher unscheinbaren Gerätes extreme Kennzahlen einen Wettstreit: mit 90.000 Umdrehungen in der Sekunde sorgt die Turbopumpe für ein Hochvakuum in der Messkammer; die 10-6 mbar in dieser Kammer stehen wiederum dem Außendruck von 40 bar bei 400 Meter Wasser Tiefe gegenüber. Damit muss dieses UW-MIMS höheren Druckunterschieden standhalten als sämtliche Raumfahrtgeräte, die während des Baus maximal dem normalen Umgebungsdruck auf der Erde ausgesetzt sind und dann außerhalb der Atmosphäre auf Hoch-Vakuum treffen.

MIMS auf dem Arbeitsdeck. Foto: Martina Wilde
Ihre Laptops aufgeschlagen haben die Wissenschaftler um Dr. Stefan Sommer im sogenannten Windenleitstand, wo sie nachts während der geschleppten Messung nicht nur online die Messdaten zum Methangas in der Wassersäule, sondern auch Bilder von der unten dem Gerät angebrachten Kamera verfolgen konnten. Nach anfänglichen Problemen mit einer der Pumpen sind sie in der Zwischenzeit voll des Lobes und stolz auf das äußerlich eher unauffällige, aber innerlich hoch komplexe und ehrgeizige neuartige In situ-Messinstrument , dass es mit extremem und extrem unterschiedlichem Druck in seinem Inneren und dem Äußeren aufnimmt und während der PS108 Tour auf Polarstern wertvolle Daten aufgenommen hat.
Ich selbst habe – lange bevor ich auch nur ahnte, dass ich einmal Koordinatorin einer Allianz aus Raumfahrt- und Tiefseeforschung sein würde – das Buch „Der Schwarm“ verschlungen wie selten einen Science Fiction. Und ich bin in besonderer Weise davon fasziniert, dass im Rahmen von ROBEX innovative robotische Geräte und Instrumente entwickelt wurden, die uns helfen werden, weit über die Fiktion hinaus das Thema Gashydrate und Ausgasungen zu verstehen, einzuordnen und letztendlich zum Beispiel in Klimamodelle eingehen zu lassen.
Martina Wilde
Koordinatorin der Helmholtz Allianz ROBEX
Veröffentlicht am: 07.09.2017

Tramper geht mit Hilfe des OFOS auf den nächsten einjährigen Unterwassereinsatz. Foto: Martina Wilde
Abiturienten wollen gerne ins sonnige Australien, Tiefsee-Roboter Tramper hat sich für seine zweite „Work and Travel“-Tour wieder unter dem Eis entschieden.

Letztes Gruppenbild mit Tramper, bevor der Unterwasserroboter auf seinen nächsten einjährigen Tiefseeeinsatz geht. Foto: Martina Wilde
Am 3.9.2017 um 10.48 Uhr hat der Tramper die Oberfläche des arktischen Ozeans durchbrochen und verschwindet in einem hellblauen Blasenwirbel mit 0,7 m pro Sekunde in Richtung Meeresboden in 2500 m Tiefe.
Er wurde dafür mit dem sogenannten „Launcher“ OFOS verbunden, welcher wiederum am Kabel einer Winde befestigt war. Im Vergleich zur Raumfahrt findet hier ein „Launch“ in die umgekehrte Richtung statt, die Schwerkraft wird genutzt, anstatt überwunden werden zu müssen, der „freie Fall“ wird sogar noch durch die Winde gebremst.
Genau eine Woche lang wurde der Tramper von seinen Rehabilitationsbetreuern wieder fit gemacht für seine zweite große Reise und jetzt verfolgen die Wissenschaftler konzentriert die etwa 1 Stunde dauernde Fahrt in die Tiefe an den Monitoren. Viel sieht man nicht auf den Bildern, die klarste Auskunft über den aktuellen Aufenthaltsort gibt eigentlich der Monitor der Winde, da dort neben anderen Parametern insbesondere die Länge des bisher ausgerollten Kabels sowie die Geschwindigkeit angegeben wird.

Tramper geht mit Hilfe des OFOS auf den nächsten einjährigen Unterwassereinsatz. Foto: Martina Wilde

Tramper geht mit Hilfe des OFOS auf den nächsten einjährigen Unterwassereinsatz. Foto: Martina Wilde

Tramper geht mit Hilfe des OFOS auf den nächsten einjährigen Unterwassereinsatz. Foto: Martina Wilde
Bei 1200 m Tiefe bzw. Kabellänge wird ein Stopp eingelegt: Das Team des Tramper –Bruders VIATOR vom GEOMAR hat darum gebeten, einen Streifenlaser den realen Druckbedingungen aussetzen zu können, um für den für morgen geplanten Test des VIATORS auch an dieser sensiblen Stelle präpariert und abgesichert zu sein. Als „Raumfahrerin“ kann ich nur bewundernd staunen über diesen unglaublichen Pragmatismus, den ich hier erlebe: Da wird mal eben der Launch unterbrochen, um einen Laser an das Kabel zu binden. Dieser sinkt dann beim Wieder-Anfahren der Seilwinde in die für den morgigen Einsatz vergleichbare 1300 m Wassertiefe, als der Tramper den Meeresgrund bei insgesamt 2500 m Tiefe erreicht hat. Nach Absetzen des Trampers kam der Laser dann an der Winde wieder hoch – wurde bei einem weiteren Zwischenstopp der Winde wieder eingeholt – und seine Einsatzfähigkeit war bewiesen.

Monitore und Arbeitsdeck im Blick: AWI-Ingenieur Johannes Lemburg im Windenleitstand. Foto: Martina Wilde
Um 12.08 Uhr wird der Tramper „ausgelöst“, nach einem Kommando aus dem Windenleitstand verlässt er die Halterung des OFOS und sinkt die letzten Meter frei zum Meeresboden ab. Leider dokumentieren keine Fotos die Ankunft am Start seines einjährigen „Work-and Travel“ Gebiets und so ist die Stimmung im Windenleitstand eine Mischung aus Freude und hoffnungsvollem Abschied, vermutlich ähnlich der von Eltern, die von ihren Kindern zwar eine kurze Whatsapp über die gute Landung in Australien erhalten, sie dann aber loslassen müssen auf ihre eigenständige Tour.
Etwas nach Westen versetzt soll Tramper nun parallel zur ersten Fahrt einmal in der Woche den Sauerstoffgehalt des Sediments messen, dann eine Woche schlafen, dann 15 m fahren, dann wieder messen. Diese Art von „Work and Travel“ wäre für die Abiturienten in Australien vielleicht nicht sonderlich attraktiv, aber für die Wissenschaft leistet Tramper damit einen unvergleichbaren Beitrag zum Verständnis bisher völlig unbekannter Prozesse und unerreichbarer Regionen.
Und so lassen wir ihn bei unserer Weiterfahrt zu unserer nächsten Station kurz nach dem Einholen des Kabels (und der Überprüfung des gelungenen Druck-Tests des Lasers) mit einem etwas sentimentalen Gefühl alleine zurück in der Dunkelheit des HAUSGARTENS und werden regelmäßig an einen leuchtend-gelben Roboter denken, der dort im Dienste der Wissenschaft „Als Anhalter durch die Tiefsee“ unterwegs ist.
Von Bord der Polarstern grüßt Martina Wilde
Koordinatorin der Helmholtz Allianz ROBEX
Veröffentlicht am: 04.09.2017

Seit dem Jahr 1999 steht dieser Rahmen mit verschiedenen HArtsubstraten im AWI-Hausgarten. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR

Beweis f(F)orscher Selbstironie: Der Gartenzwerg im Hausgarten. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR
Eigentlich wollten die Forscher rund um Dr. Thomas Soltwedel auch den Gartenzwerg, der an der zentralen Position des Tiefsee-Observatorium HAUSGARTEN Zeuge der langjährigen Besiedelung eines auf dem Meeresboden aufgestellten Metallrahmens war, an Bord holen. Aber am Ende blieb der Gartenzwerg als Beweis deutscher Selbstironie dort stehen und macht das Bild eines „Hausgartens“ im arktischen Ozean perfekt.
Welche Rolle spielen Hart-Substrate auf einem überwiegend feinpartikulären und damit sehr „weichen“ Tiefseeboden für die Artenvielfalt der Tiefsee und welche Organismen werden sich auf industriell gefertigten Materialien wie Metall und Plastik ein „Zuhause“ schaffen? Diese Fragen sollen mit einem 1999 aufgestellten künstlichen Besiedlungs-Angebot beantwortet werden. 1,60 m hoch, sechseckig aus Aluminium-Rohren von jeweils 90 cm Länge aufgebaut, daran angebracht 46 Hart-Substrate, insgesamt 20 Platten aus Plexiglas und Steingut, sowie 6 Holzlatten, das sollte 18 Jahre lang die Heimat verschiedenster Tiefsee-erprobter Organismen werden.

Kirstin Meyer untersucht die Besiedlungsplatten. Foto: Martina Wilde
Gestern war es dann so weit, dass die ungeduldige Neugier von Tiefsee-Forscherin Kirstin Meyer an Bord der POLARSTERN-Expedition PS108 befriedigt werden konnte: Das ROV „KIEL6000“ des GEOMAR fädelte um 20.14 Uhr kunstfertig den Haken ein, der Metallrahmen hob ab und wurde langsam zur Wasseroberfläche gezogen, wo auf dem Arbeitsdeck sehr schnell die verschiedenen Besiedlungsplatten „gesichert“ wurden. Jetzt sitzt Kirstin Meyer unentwegt vor dem Mikroskop und hatte bis zu meinem Besuch in ihrem Labor bereits zehn verschiedene Organismen identifiziert, nachdem sie erst zwei der Tonplatten untersucht hatte.
Der Gartenzwerg steht derweil alleine in seinem (Haus-)Garten und fragt sich, wann die Kolonisation seiner eigenen Oberfläche so fortgeschritten sein wird, dass er nicht mehr als heimatliches Attribut erkannt werden kann…
Es grüßt bei Windstärke 5, Martina Wilde
Koordinatorin der Helmholtz Allianz ROBEX
Veröffentlicht am: 04.09.2017